Hermann

 

Zeitschrift

von und für

Westfalen,

oder

der Lande zwischen Weser und Maas

72tes Stück – Hagen September 8. 1818

 

Die armen Fabrikanten

 

Seit einiger Zeit hatte Mancher die Güte, uns über Handel und Fabrik zu unterhalten, der wahrscheinlich in seines Nachbars Pfefferladen dem Welthandel gründlich nachgeforscht; solche Bemühungen sind löblich.

Einzelne Zweige der Fabrikation wurden völlig niedergedrückt; man schrie um Hülfe; glücklicherweise ist niemand durch zu voreilige Anstrengungen zu Schaden gekommen.

Die Regierungen versprachen viel, hielten wenig; auch dieses war gut; wollte Gott, es suchte eine die andere nicht in Verordnungen zu überbieten.

Die englischen Waaren-Händler wurden Kosmopoliten; übrigens sah jeder auf seinen Vortheil; der Streit ward heftiger – viel Geschrei – oft wenig Worte – da schwiegen die Fabrikanten.

Welche Resultate hat der saure Kampf geliefert? „Daß nicht alle Intereressen zu vereinigen sind, nicht jede Fabrikation vom Staate nützlich, die allgemeinen Zölle ein großes Übel.“

Ein wahres Glück für die Manufakturen, daß – bevor die Akten geschlossen – der Verfasser des Aufsatzes „die Fabrikanten“ im 68. Stück des „Hermanns“ aus Sully‘s und Colberts Systemen und den Mißgriffen Ludwigs des 14ten und Friedrichs des Großen ein radikales Heilmittel extrahiert. Jeder, dem Brot mangelt, bitte um einen Paß nach Amerkika, und kaufe dort Ländereien denn die bessern sind im Vaterlande längst ämsig durchpflügt.

Der Verfasser jenes Aufsatzes muß eine fette Hufe Landes bewohnen, indem er uns anweis‘t, unser Heil im Ackerbau zu suchen; wenn derselbe die Güte hätte, einigemal auf meinem Acker die Steine zu lesen, Grundsteuer und Kultur-Kosten davon zu bezahlen‘ so würde der Hintergrund seiner landschaftlichen Zeichnung himmelblau werden.

Die Gebirge können ihre Bewohner nicht ernähren, darum rührt sich die ämsige Menge, und was der karge oden nicht gewährt, tauscht sie von dem Bewohner der Ebene gegen die Erzeugungen des Fleißes.

Bedürfniß macht den Fabrikanten, Bedürfniß den Käufer; beide verstehen sich auf ihrem Vortheil.

So gienge die Sache gut ohne fremde Einmischung. Doch der Finanzier wittert Geld auf den Bergen, ein Heer von Abgaben, Steuern und Plackereien zwingen den Fabrikanten größeren Erwerb zu suchen, größere Kosten, größere Erzeugungen folgen bis zur Unnatur.

Der Verbrauch ist der Fabrikation nicht angemessen; einzelne Staaten schließen sich, um durch Hemmung fremder Konkurrenz dem Uebel abzuhelfen, und so finden wir uns auf dem Punkte wieder, wo wir sind.

Dem dunkeln Gefühl der Großen von der Wichtigkeit des Handels und der Fabriken – fehlt der richtige Blick; der Honig schmeckt süß, nur will man den Bienenstock täglich schneiden.

Vernünftige Hülfe könnte nützen. Schade, daß gute Ideen gewöhnlich mißgestaltet zur Welt kommen!

England besteht nicht durch seinen Ackerbau, sonst stände es fest für ewige Zeiten, welches Viele bezweifeln.

Frankreich rettete sich durch die Revolution – nicht von Fabriken, sondern von seinen Blutigeln, weil die Könige Weiber geworden, und kein freier Mann die Erde baute, der Pfaffe aber im Himmel und auf Erden herrschen wollte.

Napoleon hob die Industrie, schützte den Ackerbau und seine Adler siegten; da wurden wir Frankreich zinsbar.

Preußen hat sich von jeher gröblich am Handel versündigt; die Freiheit fehlte, und der hungernde Invalide wurde Acciseschreiber. Die Eiche im Mistbeete ziehen zu wollen, war thöricht. Blühende Industrie herrschte in den Provinzen diesseits der Weser; diese wurde im eignen Vaterlande schmählich ausgeschlossen, und dennoch verkümmerten die Sprößlinge im kur-märkischen Sande!

Wenn Herzberg ein einheimisches seidenes Kleid trug, nachdem die Zwecklosigkeit des Seidenbaues entschieden, so war dies – albern, wenn indessen der Prinz Regent befiehlt, daß jeder bei Hofe in engl. Stoffe gekleidet erscheinen soll, so beneide ich den Arbeiter, den sein König ehrt.

Die Sprache unserer Regierungen ist liberaler geworden, und nach dem, was die Völker geleistet, dürfen wir verlangen, daß die That dem Worte folge.

Warum bestehen die Binnenzölle diesseits der Elbe stiefmütterlich fort? Ist es Recht, das im Siegen‘schen erkaufte rohe Produkt hieher zweimal verzollen zu müssen? Ich bescheide mich; doch so viel ist mir klar, daß die Sache etwas einbringen muß.

Der preuß. Kommissair in Mainz hat wacker gesprochen.

Holland hat das Syndikat aufgehoben, die Wächter an Bord des Schiffs soll die Douane bezahlen.

Eine grobe Lüge sehen wir schwarz auf weiß, wenn von Transit im Allgemeinen die Rede; untenstehender Auszug mag es beweisen. *)

Und dieses Holland, welches so keck ein befreundetes Volk neckt, wem verdankt es seine Existenz?

Warum hat man preuß. Seits sich die Ufer der Maas leichtgläubig aus den Händen winden lassen, nachdem Bülow-Dennewitz mit seinen siegreichen Schaaren ein zaghaftes Volk stürmend befreit? Preußen-Blut hat jenem Statthalter einen Thron gegründet, dem die eigenen Unterthanen die Herrschaft genommen.

England hat nichts dazu beigetragen, sondern nur vor Bergen op Zoom die derbe Lehre empfangen: daß die Sieger von Viktoria nicht unüberwindlich sind.

Ultramontanus glaubt „wenn der Bürger im Auslande kaufe, so sei dies ein Zeichen, daß es im Lande Mittel gebe, dieses Geld zu verdienen.“

Dieser Beweis hält nicht.

Spanien besitzt einen reichen Boden, herrliche Hülfsquellen in sich selbst, Amerika ist oder war ihm zinsbar.

Der Bürger fieng an im Auslande zu kaufen, englische Handelsherren unterdrückten mit Hülfe ihrer Regierung die inländischen Manufakturen. Welches sind die Folgen? Peru‘s Gold reicht nicht hin, die dringendsten Bedürfnisse zu befrieden; arm in sich selbst, verachtet von außen, büßt ein edles Volk schrecklich den Fehler, die eigenen Kräfte unbenutzt gelassen zu haben.

Dort sieht man eine Regierung, die alles Gute dem Zufall überläßt, keine Gewerbe begünstigt; ein Land, wo jeder kauft, wo er am wohlfeilsten dazu zu kommen glaubt, bis der Mangel es verbietet. Auf solcher Brache mag die Armuth wachsen, und das Mönchthum gedeihen, Handel und Gewerben immermehr, trotz dem Glück sich selbst überlassen zu bleiben.

Rußland ernährt mit seinen Zolltarifen eine Menge geschäftiger Müssiggänger, gleich andern Staaten. Auch hier wird erwiesen: daß bloße Verordnungen nur die Papierfabrikanten bereichern. Allein auch die Erfahrung hat man gemacht, daß kräftige Einwirkung der Regierung frommen kann.

Eversmann wurde nach Rußland berufen. Mit hiesigen Arbeitern begann ein jetzt gelungenes Werk. Wer kann den Nutzen läugnen, den jenes Reich dadurch erlangt?

Und was geschah unsrer Seits? Wie das Nest ausgeflogen, schlug man im „allgemeinen Landrecht“ nach, welche Strafe den Verführer der Fabrikanten treffe.

Es steht übrigens nicht zu erwarten, daß Justus Gruner seiner desfallsigen Verdienste wegen den Adelsbrief bekommen.

Wenn jene Auswanderung verhindert, uns bei Einrichtung des holländischen Douanen-Reichs ein freier Transit vorbehalten worden, so würde der russische Bauer noch manchen Ostbaum für uns haben pflanzen müssen!

Harkorten.

Friedr. Harkort.

*) Auszug eines Briefes von Amsterdam. „Der Schiffer ist bereits im Texel eingelaufen, wenn nur die Transit-Angabe nicht viel Kosten macht; wenn er mehrere Transit-Güter geladen, so es nicht viel zu bedeuten, sonst muß man dem Kondukteur, der zu Texel an Bord kommt, für jeden Tag fl. 2.10 Stbr. Und noch überdem für seine Rückreise bezahlen.

Ich habe vor einiger Zeit von einer kleinen Kiste von London, wovon die Fracht fl. 1, 3 Stbr. Betrug, dem Kondukteuerfl. 17. sage siebzehn Gulden bezahlen müssen!! …..“